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Der Esel und das Jagdpferd

WordPress LogoEin Esel vermaß sich, mit einem Jagdpferd um die Wette zu laufen. Die Probe fiel erbärmlich aus, und der Esel ward ausgelacht. „Ich merke nun wohl“, sagte der Esel, „woran es gelegen hat; ich trat mir vor einigen Monaten einen Dorn in den Fuß, und der schmerzt mich noch.“
„Entschuldigen Sie mich“, sagte der Kanzelredner Liederhold, „wenn meine heutige Predigt so gründlich und erbaulich nicht gewesen, als man sie von dem glücklichen Nachahmer eines Mosheims erwartet hätte; ich habe, wie Sie hören, einen heisern Hals, und den schon seit acht Tagen.“

Gotthold Ephraim Lessing

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Eine schöne Frau, die den Ahnherrn außerordentlich liebte, besuchte ihn jeden Montag auf seinem Sommerhaus, wo er die Nacht mit ihr zubrachte, indem er seine Frau glauben ließ, daß er diese Zeit zu einer Jagdpartie bestimmt habe.

Zwei Jahre hatten sie sich ununterbrochen auf diese Weise gesehen, als seine Frau einigen Verdacht schöpfte, sich eines Morgens nach dem Sommerhaus schlich und ihren Gemahl mit der Schönen in tiefem Schlaf antraf. Sie hatte weder Mut noch Willen, sie aufzuwecken, nahm aber ihren Schleier vom Kopf und deckte ihn über die Füße der Schlafenden.

Als das Frauenzimmer erwachte und den Schleier erblickte, tat sie einen hellen Schrei, brach in laute Klage aus und jammerte, daß sie ihren Geliebten nicht mehr wieder sehen, ja daß sie sich ihm auf hundert Meilen nicht nähern dürfe. Sie verließ ihn, nachdem sie ihm drei Geschenke, ein kleines Fruchtmaß, einen Ring und einen Becher, für seine drei rechtmäßigen Töchter verehrt und ihm die größte Sorgfalt für diese Gaben anbefohlen hatte. Man hob sie sorgfältig auf, und die Abkömmlinge dieser drei Töchter glaubten die Ursache manches glücklichen Ereignisses in dem Besitz dieser Gabe zu finden.

Johann Wolfgang von Goethe


Ein Adler horstete auf einer hohen Eiche, und der Fuchs hatte sein Loch unten an derselben. Diese Nachbarschaft schien eine Freundschaft zur Folge zu haben. Aber ach, wie wenig aufrichtig war sie!

Als der Fuchs einmal des Abends auf Raub ausging, und der Adler gerade diesen Tag über aus Mangel an Beute mit seinen Jungen hatte fasten müssen, so glaubte er, der Hunger hebe jede Rücksicht der Freundschaft auf, stürzte sich auf die Füchschen, trug sie in seinen Horst und verschlang sie mit seinen Jungen; ein leckeres Mahl für sie und ihn! Kaum war der Fuchs zurückgekehrt, als er auch seine Jungen vermißte und den Frevel sogleich ahnte.

Ergrimmt über diese Verletzung der Freundschaft und von seinem Schmerz getrieben, stieß er eine Flut von Schmähungen gegen seinen früheren Freund, der nun sein heftigster Feind geworden war, aus, weil er sonst kein Mittel sah, sich zu rächen – und flehte den Zorn der Götter auf den Adler herab.

Ruhig, mit höhnischer Miene, schaute der Adler auf den erbitterten Fuchs und ahnte nicht, daß so bald die verdiente Strafe folgen würde.

In der Nachbarschaft war nämlich ein Fest, und die Landleute opferten ihren Göttern. Als die Eingeweide angezündet wurden, flog der Adler hinzu, raubte nach seiner Gewohnheit ein Stück und trug es in sein Nest. Allein ohne sein Wissen war glimmende Asche an diesem Stück hängengeblieben; sein Horst fing schnell Feuer, und da gerade ein heftiger Sturm wütete, so war das Nest bald von den Flammen verzehrt; die halbgebratenen Jungen fielen herab, und der Fuchs verzehrte sie vor den Augen des Adlers.

Dem Verbrecher wird sein Lohn.

Aesop