Gefahrerhöhende Umstände

Was sind gefahrerhöhende Umstände?

Verändern sich nach Vertragsschluss wesentliche Umstände, kann dies eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung bedeuten. In § 17 Nr. 1  werden solche Umstände genauer definiert. Demnach liegt insbesondere eine Gefahrerhöhung vor, wenn

  • sich ein Umstand ändert, nach dem der Versicherer im Rahmen der vorvertraglichen Auskunftseinholung gefragt hat.
  • Ein Gebäude ganz oder zu überwiegenden Teilen nicht genutzt wird
  • Baumaßnahmen durchgeführt werden, in deren Rahmen das Dach ganz oder teilweise entfernt wird oder durch die das Gebäude überwiegend unbenutzbar wird
  • Im Versicherungsgebäude ein neuer oder anders als bei Vertragsschluss gearteter Gewerbetrieb aufgenommen wird
  • Das Versicherungsgebäude nach dem Abschluss des Versicherungsvertrages unter Denkmalschutz gestellt wird.

In Abschnitt B der Versicherungsbedingungen § 9 Nr. 1 ist der Begriff der Gefahrerhöhung erweitert definiert. Demnach liegt eine Gefahrerhöhung vor, wenn "nach Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers die tatsächlich vorhandenen Umstände so verändert werden, dass der Eintritt des Versicherungsfalles, eine Vergrößerung des Schadens oder die ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Versicherers wahrscheinlicher werden".

Als Faustregel gilt: Jeder Umstand, nach dem im Antrag gefragt wird, muss bei einer Änderung gemeldet werden. Eine Gefahrerhöhung liegt gemäß § 9 Nr. 1 c) (Abschnitt B) zwar nicht vor, wenn die Gefahr nur unerheblich erhöht wurde oder die Gefahrerhöhung (z. B. im Rahmen des technologischen Fortschritts oder der Vorsorge) als mitversichert gelten soll.

Dennoch empfiehlt es sich für Versicherungsnehmer, besser eine Meldung zu viel als eine zu wenig zu erstatten. Erhöht der Versicherer daraufhin den Beitrag, handelt sich ganz sicher um eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung, deren Nichtankündigung Konsequenzen nach sich gezogen hätte.

Pflichten des Versicherungsnehmers

Der Versicherungsnehmer darf nach seiner Vertragserklärung (die Erklärung steht noch vor dem Vertragsabschluss) Gefahrerhöhungen nur vornehmen oder durch Dritte vornehmen lassen, wenn zuvor die Zustimmung des Versicherers eingeholt wurde. Ablehnen wird dieser nur selten – je nach Umstand werden in der Praxis vor allem temporär höhere Prämien festgesetzt. Nachträglich ohne Zutun des VN eintretende Gefahrerhöhungen sind dem Versicherer unverzüglich mitzuteilen. Das gilt auch für Gefahrerhöhungen, bei denen der VN erst nachträglich erkennt, dass er sie selbst zu vertreten hat.

Folgen einer unterlassenen Anzeige einer Gefahrerhöhung

Nimmt der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Gefahrerhöhung vor bzw. lässt er durch Dritte eine solche vornehmen, steht dem Versicherer ein fristloses Kündigungsrecht zu. Bei einfacher Fahrlässigkeit kann der Versicherer mit einer Kündigungsfrist von einem Monat kündigen. Die einmonatige Kündigungsfrist gilt auch, wenn Gefahrerhöhungen unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eintreten oder dieser die Gefahrerhöhung nachträglich erkannt hat. Die Beweislast für das Vorliegen einfacher Fahrlässigkeit liegt beim Versicherungsnehmer.

Alternativ zur Kündigung kann der Versicherer auch eine erhöhte Prämie festsetzen oder die Absicherung der zusätzlichen Gefahr ausschließen. Erfolgt entweder letzteres oder eine Anhebung der Prämie um mehr als zehn Prozent, steht umgekehrt dem Versicherungsnehmer für einen Monat nach dem Zugang der Erklärung ein fristloses Kündigungsrecht zu.

Nimmt der Versicherer Kenntnis von einer Gefahrerhöhung, muss er seine Kündigungs- oder Anpassungsrechte binnen eines Monats ausüben. Ansonsten erlischt das Recht zur Kündigung, zur Beitragserhöhung oder zum Ausschluss der erhöhten Gefahr.

Leistungsfreiheit des Versicherers infolge einer Gefahrerhöhung

Das vorsätzliche oder fahrlässige Unterlassen der Anzeige einer Gefahrerhöhung kann im schlimmsten Fall zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Insbesondere wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich ohne Genehmigung eine Gefahrerhöhung vornimmt oder dies Dritten gestattet, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. Verletzt der Versicherungsnehmer seine Pflichten in dieser Hinsicht grob fahrlässig, kann die Leistung in einem angemessenen Verhältnis gekürzt werden (Quotelung). Das gilt nicht bei einfacher Fahrlässigkeit, für deren Vorliegen die Beweislast beim Versicherungsnehmer liegt.

Erkennt der VN eine Gefahrerhöhung erst nachträglich oder tritt sie ohne seinen Willen ein, gelten etwas andere Regeln. Im Fall von Vorsatz ist der Versicherer nur leistungsfrei, wenn der Schaden später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Gefahrerhöhung anzuzeigen gewesen wäre. Wurde die Meldung grob fahrlässig unterlassen, kommt es zur Quotelung. Der Versicherer kann sich  nicht auf Leistungsfreiheit berufen, wenn er  -aus welchen Gründen auch immer  -rechtzeitig von der Gefahrerhöhung gewusst hat. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn der Versicherungsnehmer zusätzlich ein Hausratversicherung abschließt und darin die neuen Umstände angibt.

Der Versicherer muss den entstandenen Schaden vollständig bezahlen, wenn er nach dem Bekanntwerden der Gefahrerhöhung nicht gekündigt, sondern einen höheren Beitrag verlangt hat. Auch wenn der Versicherer nach dem Bekanntwerden gar nichts unternimmt und sein Kündigungsrecht verstreichen lässt, kann er sich im Schadensfall nicht auf Leistungsfreiheit wegen gefahrerhöhender Umstände berufen.

Selbst bei einem Versicherungsfall nach Verletzung der Anzeigepflicht durch den Versicherungsnehmer muss die Wohngebäudeversicherung für entstandene Schäden zahlen, wenn nachgewiesen wird, dass die Gefahrerhöhung nicht für den Eintritt des Versicherungsfalles und/oder den Umfang des Schadens verantwortlich ist. Ist die Gefahrerhöhung nur zum Teil ursächlich bzw. lässt sich das Gegenteil nur teilweise beweisen, besteht für die anderen Teile des Schadens dennoch eine Leistungspflicht des Versicherers. Wohlbemerkt: Bei groben Pflichtverletzungen folgt die fristlose Kündigung, nach der keinerlei Leistungspflicht mehr besteht.

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Beispiele für gefahrerhöhende Umstände

Es ändert sich ein Gegenstand der vorvertraglichen Anzeigepflicht

Versicherungsnehmer M. beschließt bei einer anstehenden, großen Reparatur seines Ziegeldaches, sein bisheriges Dach gegen eines aus Schilf auszutauschen, weil diese Bauweise auch in der Nachbarschaft verbreitet ist. Drei Monate später kommt es durch einen Kurzschluss zu einem Brand, der das Haus vollständig zerstört. M. hat seinem Versicherer nicht mitgeteilt, dass er sein Dach neu und mit Schilf errichtet hat.

Im Antragsformular zur verbundenen Wohngebäudeversicherung wird explizit nach der Beschaffenheit des Daches gefragt. Gebäude mit weicher Dachung werden in eine andere Risikokategorie eingestuft, weil ihr Brandrisiko signifikant erhöht ist. Der Versicherer wird in diesem Fall den Einwand der groben Fahrlässigkeit anbringen und die Leistung teilweise kürzen. Sofern M. Vorsatz nachzuweisen ist – weil es z. B. stichhaltige Hinweise dafür gibt, dass er eine Beitragserhöhung vermeiden wollte – wird der Versicherer gar nicht leisten. M. kann sich in diesem Fall wahrscheinlich auch nicht darauf berufen, dass der Schaden bei fester Dachung nicht oder in geringerem Umfang entstanden wäre. Die Beweislast für die fehlende Kausalität liegt beim Versicherungsnehmer.

Auch Änderungen in der Nachbarschaft können eine Gefahrerhöhung sein

Versicherungsnehmer S. besitzt ein mehrstöckiges Haus, in dem sich oben Wohnungen und unten im Erdgeschoss eine Gewerbefläche mit darunterliegendem Keller befinden. Beim Abschluss des Versicherungsvertrages wird die Gewerbefläche von einer Werbeagentur genutzt. Diese zieht kurze Zeit später aus – als Nachmieter findet S. eine Diskothek, die das Erdgeschoss und den Keller mietet. Ein halbes Jahr später bricht im Erdgeschoss ein Brand aus, der das gesamte Gebäude vollständig zerstört.

Der Versicherer wird sich in diesem Fall wahrscheinlich auf grobe Fahrlässigkeit berufen und die Leistung nur teilweise gewähren. In der Feuerversicherung stellen bestimmte Gewerbetriebe ein höheres Risiko dar. Eine Diskothek im Gebäude begründet eine Gefahrerhöhung. Bei bestimmten Gewerbebetrieben sind sogar umliegende Gebäude von einem erhöhten Risiko in der Feuerversicherung betroffen, darunter z. B. Sägewerke.

Leerstand durch Mangel an Nachmietern

Versicherungsnehmer C. vermietet sein nicht selbstgenutztes Einfamilienhaus seit vier Jahren an einen Mieter. Nach dessen Auszug findet sich aufgrund des schwachen Immobilienmarktes und einigen Spezifika des Objekts kein Nachmieter. Nach sieben Monaten Leerstand schlägt der Blitz in das Haus ein und verursacht einen Brand, der das Gebäude vollständig zerstört. Seinem Versicherer hat C. von dem Leerstand nichts mitgeteilt.

Der Leerstand ist eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung gemäß § 17 Nr. 1 VGB 2010. Dennoch kann sich der Versicherer wahrscheinlich nicht vollständig aus der Verantwortung ziehen. Die Wahrscheinlichkeit eines Blitzeinschlags hat sich durch den Leerstand nicht vergrößert. Prinzipiell ist denkbar, dass der Versicherer eine Vergrößerung des Schadens unterstellt und argumentiert, dass bei einem bewohnten Haus rascher die Feuerwehr gerufen worden wäre. Vor Gericht wird eine solche Argumentation wahrscheinlich aber nicht standhalten.

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