BGH Az. VI ZR 467/15

Keine Haftungsbeschränkung bei typischem Schadenseintritt im Rahmen einer alltäglichen, unentgeltlichen Gefälligkeit

Die meisten Menschen kennen das Problem: Man fährt in den Urlaub und es stellt sich die Frage, wer den Briefkasten leert, wer sich im Sommer um das Bewässern des Gartens kümmert usw. Zum Glück gibt es ja die Nachbarn!

Wer nicht gerade mit seiner Nachbarschaft auf Kriegsfuß steht, wird sicher jemanden finden, der kleinere Aufgaben rund ums Haus übernimmt. Schließlich wäscht hier eine Hand die andere, und der Nachbar ist auch froh, wenn Sie den Dienst in seinem Urlaub ebenfalls übernehmen.

Doch wie sieht das Ganze eigentlich im Hinblick auf den Versicherungsschutz aus? Was ist zum Beispiel, wenn der Nachbar einen Schaden im Rahmen seiner Arbeiten als Urlaubsvertretung verursacht? Klar, dafür gibt es schließlich die Gebäudeversicherung des Hausinhabers.

Nachbar verursacht Wasserschaden – und nun?

Doch ist diese Gebäudeversicherung auch dazu berechtigt, sich vom Verursacher des Schadens bzw. von dessen Haftpflichtversicherung im Nachhinein Geld zurückzuholen und entsprechende Schadenersatzansprüche geltend zu machen?

Genau darum geht in dem hier beschriebenen Fall. Der genaue Sachverhalt stellt sich wie folgt dar: Es war eine der bereits beschriebenen, typischen Gefälligkeiten, die der Beklagte für seinen Nachbarn ausführte: Während dieser für eine längere Zeit in Kur war, übernahm der Nachbar unter anderem die Aufgabe, den Garten zu bewässern.

Um dies zu verrichten, nutzte er eine Außenzapfstelle – ein Wasserhahn mit montiertem Wasserschlauch und Spritzaufsatz. Das Problem dabei: Nach dem Benutzen des Spritzaufsatzes muss das Wasser nicht nur an dieser Stelle, sondern auch direkt am Hahn abgedreht werden, um einen dauerhaften Überdruck und damit Beschädigungen zu vermeiden.

Der Nachbar beachtete dies allerdings nicht und drehte nach der Bewässerung lediglich den am Schlauch befindlichen Spritzaufsatz zu. Die Wasserzufuhr am Hahn ließ er hingegen geöffnet. In den Folgestunden löste sich der unter Wasserdruck stehende Schlauch von der Spritze und es trat über mehrere Stunden Leitungswasser aus, wodurch am Haus ein erheblicher Wasserschaden entstand.

Gebäudeversicherung springt ein und erhebt Ersatzansprüche

Die Regulierung dieses Schadens übernahm die Gebäudeversicherung des Hauseigentümers. Allerdings versuchte diese im Anschluss, Ersatzansprüche gegenüber dem Schadenverursacher – also dem Nachbarn – geltend zu machen. Als dieser sich weigerte, einen Anspruch anzuerkennen, verklagte ihn die Versicherungsgesellschaft.

Der Fall ging zunächst vor das zuständige Landgericht. Dieses gab der Klage statt, woraufhin der Beklagte in Berufung ging. Als nächste Instanz fungierte dann das OLG Koblenz, welches die Entscheidung der Vorinstanz wieder aufhob und feststellte, dass der Nachbar nicht für den fahrlässig verursachten Wasserschaden haften müsse, da eine Haftungsbeschränkung für den Fall des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit vorgelegen habe.

Diese Haftungsbeschränkung sei immer dann anzunehmen, wenn im Rahmen einer alltäglichen und unentgeltlichen Gefälligkeit, die unter Verwandten, Bekannten, Freunden oder auch Nachbarn verrichtet wird, ein dafür typischer Schaden eintrete, und dieser Schaden dann von der Versicherung des Geschädigten reguliert wird. Um einen solchen Schaden habe es sich im hier vorliegenden Fall gehandelt.

Fall landet schließlich vor dem Bundesgerichtshof

Mit der Entscheidung des OLG erklärte sich wiederum die Versicherungsgesellschaft nicht einverstanden und legte Revision gegen das Urteil ein. So hatte der Bundesgerichtshof in abschließender Instanz über den Sachverhalt zu urteilen.

Die Richter am BGH stellten das erstinstanzliche Urteil wieder her und bejahten eine Haftung des Schadenverursachers. Nach § 823 BGB habe dem Versicherer ein Anspruch auf Schadenersatz zugestanden. Das Vorliegen einer Haftungsbeschränkung wurde vom Gericht als nichtig angesehen.

Detaillierte Begründung der Richter: Der Meinung des OLG, nach der ein typischer Schadenseintritt im Rahmen einer alltäglichen und unentgeltlichen Gefälligkeit unter Nachbarn und die darauffolgende Regulierung des Schadens durch die Versicherung des Geschädigten eine Haftungsbeschränkung begründe, könne der Bundesgerichtshof nicht folgen.

Eine Haftungsbeschränkung komme grundsätzlich dann nicht infrage, wenn der Schadenverursacher haftpflichtversichert ist. Zudem sei in diesem Zusammenhang nicht davon auszugehen, dass eine Haftungsbeschränkung gewollt ist, die nicht den Schadenverursacher, sondern dessen Haftpflichtversicherung entlaste.

Durch eine Haftungsbeschränkung werde das Haftungsrisiko vom Schadenverursacher und dessen Haftpflichtversicherung ohne entsprechende Rechtfertigung auf die Versicherung des Geschädigten verschoben, was nicht zulässig sei.

Meinung zum Urteil

Für den Fall, dass der Schadenverursacher eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, ist die Sache klar: Im Falle eines Schadens, wie hier im Bespiel dargestellt, kann sich die Versicherung des Geschädigten (z. B. eine Wohngebäudeversicherung) die erstatteten Kosten für den Schaden ganz oder teilweise von dieser Haftpflichtversicherung zurückholen.

Nun könnte man zunächst meinen, dass dem Versicherten dadurch kein Nachteil entsteht. Dies trifft allerdings nur unmittelbar zu, mittelbar erhöhen viele Versicherungen nach der Regulierung eines Schadenfalles bzw. nach Ausschüttung einer Leistung umgehend die Beiträge für den Versicherten, wodurch dann doch ein (finanzieller) Nachteil entsteht. Doch damit müssen Versicherte nach dem hier gesprochenen Urteil offenbar leben.

Was außerdem aus dem hier vorliegenden Urteil nicht eindeutig hervorgeht: Hätte der Urteilsspruch anders gelautet, wenn der Schadenverursacher nicht haftpflichtversichert gewesen wäre? Das Gericht machte diesbezüglich nur Andeutungen – wie dies in der Praxis aussieht, kann wohl nur ein weiteres Urteil klären.

 

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