Gleitende Neuwertversicherung

Versicherungswert in der gleitenden Neuwertversicherung

Gemäß § 10 Nr. 1 können verschiedene Versicherungswerte vereinbart werden. Neben dem gleitenden Neuwert können auch der Neuwert, der Zeitwert sowie der gemeine Wert vereinbart werden. In der Praxis kommt am häufigsten das Modell der gleitenden Neuwertversicherung zum Einsatz.

Basis der gleitenden Neuwertversicherung

Die Basis der gleitenden Neuwertversicherung geht auf das Jahr 1914 zurück. Der Versicherungswert entspricht dem im Jahr 1914 ortsüblichen Neubauwert des Gebäudes, wobei Größe und Ausstattung berücksichtigt werden. Da im Schadensfall eine Entschädigung zu den Preisen von vor fast 100 Jahren nicht zielführend wäre, wird der Versicherungsschutz an die Entwicklung der Baukosten angepasst.

In § 10 a) aa) ist festgelegt: „Der Gleitende Neuwert ist der Betrag, der aufzuwenden ist, um Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand herzustellen, ausgedrückt in Preisen des Jahres 1914. Maßgeblich ist der ortsübliche Neubauwert einschließlich Architektengebühren sowie sonstige Konstruktions- und Planungskosten“.

In dieser Definition fehlt eine betragsmäßige Obergrenze, wie sie als Versicherungssumme in der Neuwert- und der Zeitwertversicherung angewandt  wird. Für Versicherungsnehmer ergibt sich daraus ein großer Vorteil: Die Haftung der Wohngebäudeversicherung ist nicht begrenzt. In 3 13 Nr. 8 wird die Begrenzung der Haftung des Versicherers deshalb auch nicht für die gleitende Neuwertversicherung festgelegt.

Häufig kommt es zu Missverständnissen, weil ein Bezugsjahr existiert. Deshalb sei ausdrücklich gesagt: Es ist nicht zulässig, den aktuellen Wert des Baupreisindexes mit den Baukosten des Jahres 1914 zu multiplizieren und daraus eine Obergrenze für die Entschädigung abzuleiten.

Dass das Jahr 1914 als Basisjahr genutzt wird, hat verschiedene Gründe. Zum einen setzte nach dem Jahr 1914 ein starker (nominaler) Anstieg der Baukosten ein, der sich im Laufe der Zeit massiv beschleunigte. Im Jahr 1923 kam es in Deutschland zur Hyperinflation, die nominale Werte vernichtete. Das Jahr 1914 war eines der letzten Jahre für lange Zeit, in denen die Baupreise zumindest innerhalb des Jahres konstant waren. Wäre ein Jahr gewählt worden, in dem ein Anstieg um 20, 50 oder 500 Prozent stattgefunden hätte, würde es sich nicht als Basisjahr eignen. Die meisten versicherten Gebäude wurden zudem nach 1914 gebaut.

Da es seit dem Jahr 1914 einige technologische Änderungen gegeben hat, umfasst der Versicherungsschutz der gleitenden Neuwertversicherung ausdrücklich auch Aufwendungen, die darauf zurückzuführen sind, dass Sachen derselben Art und Güte nicht oder nur mit unwirtschaftlichem Aufwand wiederhergestellt werden können.

Nicht im gleitenden Neuwert enthaltene Kosten

Nicht im gleitenden Neuwert enthalten sind Mehrkosten durch behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen, soweit diese die Wiederherstellung einer Sache in derselben Art und Güte untersagen. Hier greift der Versicherungsschutz nur bis zur vereinbarten Entschädigungsgrenze. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Mehrkosten durch behördliche Wiederherstellungsbeschränkungen werden zum gleitenden Neuwert und damit unbegrenzt ersetzt, wenn sie dem technologischen Fortschritt zuzurechnen sind. Für Aufräumungs- und Abbruchkosten sowie für  Bewegungs- und Schutzkosten gelten ebenfalls Entschädigungshöchstgrenzen. Die Entschädigungsgrenzen werden automatisch angepasst.

Die meisten Ein- und Mehrfamilienhäuser sind zum gleitenden Neuwert versichert. Die Versicherungswirtschaft präferiert diese Vertragsart und stellt sie in ihrer Ausbildungsliteratur auch in ein positives Licht.

Vorteile der gleitenden Neuwertversicherung

In der Ausbildungsliteratur für Kaufleute für Versicherungen und Finanzen werden vor allem vier Vorteile aufgezeigt. Zum einen erfolgt eine automatische Anpassung des Versicherungsschutzes an die Entwicklung der Baukosten. Daraus ergibt sich ein weiterer Vorteil: Eine versehentliche Unterversicherung durch Baupreissteigerungen ist ausgeschlossen.

Da es keine Versicherungssumme bezogen auf die Baupreise der Gegenwart gibt, haftet der Versicherer unbegrenzt. Gemäß den Versicherungsbedingungen existieren auch keine Entschädigungsgrenzen für Schadenminderungskosten und Mietausfall.

Die VGB sehen laut § 11 Nr. 1 drei Wege vor, auf denen die Versicherungssumme in der gleitenden Neuwertversicherung ermittelt werden kann. Die Versicherungssumme ist demnach „nach dem ortsüblichen Neubauwert zu ermitteln, der in der Preisen des Jahres 1914 ausgedrückt wird“. Aus diesem Grund wird die Versicherungssumme in der gleitenden Neuwertversicherung als „Wert 1914“ ausgedrückt.

Die Versicherungssumme gilt als korrekt ermittelt, wenn sie von einem Sachverständigen ermittelt wird und dieser Sachverständige vom Versicherer anerkannt wird oder der Versicherungsnehmer im im Versicherungsantrag den Neubauwert eines Jahres nach 1914 richtig angibt und der Versicherer diesen Wert auf eigene Verantwortung umrechnet oder der Versicherer di Versicherungssumme auf der Grundlage korrekter Angaben des Versicherungsnehmers zu Größe und Ausstattung des versicherten Gebäudes ermittelt.

Automatischer Unterversicherungsverzicht

Wird die Versicherungssumme nach einer der drei vorgenannten Methoden ermittelt, verzichtet der Versicherer auf Abzug wegen Unterversicherung. Unterversicherung ist somit nicht möglich, wenn der Versicherungsnehmer keine Pflichten verletzt.

Als Pflichtverletzung sind insbesondere Angaben bei der Ermittlung des Versicherungswertes zu verstehen, die zu einer zu niedrigen Ansetzung des Wertes 1914 (und damit zu einer zu niedrigen Versicherungsprämie) führen. Der Versicherer kann in diesem Fall eine Anpassung des Vertrages vornehmen oder ganz vom Vertrag zurücktreten. Im Schadensfall besteht Leistungsfreiheit allerdings in der Regel nur für die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem fälschlicherweise angesetzten Wert. Dann gelten die Regelungen für Unterversicherung.

Der Unterversicherungsverzicht erlischt darüber hinaus, wenn ein zu niedriger Neubauwert für ein Jahr nach 1914 angegeben wurde oder wenn nach dem Abschluss des Versicherungsvertrages bauliche Maßnahmen durchgeführt werden, die den Wert des Gebäudes steigern und diese Maßnahmen dem Versicherer nicht angezeigt wurden.

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Beispiel für die Umrechnung nach Baupreisindex

Der Baupreisindex der Versicherer beginnt im Jahr 1914 mit dem Wert 100. Sein Verlauf spiegelt diverse Entwicklungen in der deutschen Geschichte wider. In den Jahren bis zur Hyperinflation steigt der drastisch an. Nach der Währungsreform beginnt er im Jahr 1924 bei 129,3. Danach steigt er bis zum Jahr 1929 auf den Wert von 166,2 an.

In den Folgejahren, die mit der Weltwirtschaftskrise zusammenfallen, sinkt er bis zum Jahr 1933 auf 117,2 ab. Danach steigt er über die Kriegsjahre und die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders bis zur deutschen Wiedervereinigung durchgängig an und erreicht im Jahr 1990 einen Wert von 1633,4. Die genannten Werte bezogen sich auf den Indexwert in DM. 2007 notierte der Index bei 1154,5 – dann bereits in Euro gemessen.

Hans Müller kauft im Jahr 2010 in Hamburg ein Haus. Das Gebäude wurde 1985 errichtet. Aus den Angaben des damaligen Bauherren, von dem Hans Müller das Haus kauft, ergeben sich Baukosten in Höhe von umgerechnet 250.000 Euro und sowie Baunebenkosten (amtliche Gebühren und das Honorar des Architekten von 25.000 Euro.

Der Neubauwert zu Preisen des Jahres 1914 errechnet sich nun wie folgt. Im ersten Schritt wird die Summe aus Baukosten und Baunebenkosten mit dem Faktor 100 (dem Ausgangswert des Baupreisindexes im Jahr 1914) multipliziert. Im zweiten Schritt wird dieses Produkt durch den indexwert des Jahres 1985 (dem Jahr des Neubaus) dividiert. Der Indexwert des Jahres 1985 beträgt 1403,3. Daraus ergibt sich ein Neubauwert in Preisen von 1914 von 19.596,67.

Es sei abermals darauf hingewiesen, dass dieser Betrag  nicht in einem direkten Bezug zur Leistung des Versicherers im Schadenfall führt. Der Versicherer haftet in unbegrenzter Höhe für die Wiederherstellung in gleicher Art und Güte. Der Neubauwert des Jahres 1914 ist maßgeblich für die Beiträge zur Versicherung.

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