Folgen bei Pflichtverletzungen

Welche Folgen für den Versicherungsschutz ergeben sich bei Pflichtverletzungen?

Der Anspruch auf Entschädigung kann aus besonderen Gründen ganz oder Teilweise erlöschen. Abschnitt B  § 16 VGB 2010 geht insbesondere auf die vorsätzliche und grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer ein. Was als grob fahrlässig einzustufen ist, wird in der Praxis nicht selten an Urteilen der Rechtsprechung bemessen.

Vorsatz

Bei Vorsatz und arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer oder einen Repräsentanten ist der Versicherer von der Leistung befreit. Vorsatz gilt gemäß den VGB als bewiesen, wenn ein rechtskräftiges Urteil gegen den Versicherungsnehmer oder einer seiner Repräsentanten wegen Herbeiführung des Schadens vorliegt.

Arglistige Täuschung

Arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer arglistig über Umstände und Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung bedeutend sind, täuscht oder versucht zu täuschen. Täuschung und Täuschungsversuch gelten als bewiesen, wenn ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.

Wohlbemerkt: Bereits der Versuch einer Täuschung führt zum Verlust des gesamten Entschädigungsanspruches. Beläuft sich der tatsächlich entstandene Schaden auf 300.000 Euro und gibt der Versicherungsnehmer vorsätzlich einen Schaden in Höhe von 310.000 Euro an bzw. wirkt er durch die Auflistung der beschädigten Gegenstände auf diesen Betrag hin, erhält er 0,00 Euro, wenn der Versicherer den Betrugsversuch bemerkt.

Beispiel: Arglistige Täuschung

V. besitzt ein Einfamilienhaus. Nachdem dieses abbrennt, legt er dem Versicherer fingierte Rechnungen eines Handwerksunternehmens vor. Sein Ziel: Er will „nachweisen“, dass in den meisten Räumen hochwertiges Parkett anstelle eines einfachen Teppichbodens verlegt war, wodurch sich seine Forderungen gegen den Versicherer um mehrere tausend Euro erhöhen würden. Der Versicherer kommt V. aufgrund der gefälschten Rechnungen auf die Schliche. Das Versicherungsunternehmen erstattet Anzeige und hält die gesamte Entschädigung zurück. Drei Monate später ergeht gegen V. ein Urteil, das ihm den Täuschungsversuch zur Last legt. Der Versicherer teilt V. daraufhin mit, dass eine Entschädigung aufgrund des Versuchs arglistiger Täuschung nicht in Betracht kommt. V. muss den gesamten Brandschaden aus eigener Tasche bezahlen.

Grobe Fahrlässigkeit

Bei grober Fahrlässigkeit darf der Versicherer die Leistung nicht vollständig ausschließen, wie es noch bis vor einigen Jahren der Fall war. Stattdessen kommt das Prinzip der Quotelung zur Anwendung. Der Schadenersatz wird in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verschuldens gekürzt.

Wann liegt grobe Fahrlässigkeit vor?

Einfache Fahrlässigkeit ist im BGB definiert: Laut § 276 Abs. 2 handelt derjenige fahrlässig, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Einfache Fahrlässigkeit führt nicht zu einer Herabsetzung der Entschädigung.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Verstoß gegen die im Verkehr gebotenen Sorgfaltspflichten objektiv schwer und subjektiv  nicht entschuldbar ist. Nach Auffassung der Rechtsprechung ist das Vorliegen beider Voraussetzungen notwendige (und in der Regel  hinreichende) Bedingung für grobe Fahrlässigkeit.

Die subjektive Komponente erfordert es bei der Betrachtung jedes Einzelfalls, auch die individuellen Fähigkeiten und Merkmale des Handelnden zu berücksichtigen. In der Rechtsprechung hat sich der Begriff des "Augenblicksversagens" entwickelt. Demnach liegt eine grobe Fahrlässigkeit möglicherweise nicht vor, wenn einmaliges menschliches Versagen vorliegt. Dazu muss allerdings erkennbar sein, dass es sich bei dem Fehlverhalten tatsächlich um eine einmalige Angelegenheit unter besonderen Bedingungen gehandelt hat.
Wichtig: Nur weil ein Verschulden objektiv betrachtet gravierend ist und es darüber hinaus häufig vor Gericht als grob fahrlässig eingestuft wird, muss es sich bei einem ähnlichen Vorfall nicht auch um grobe Fahrlässigkeit handeln.

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Gerichtsurteile zu grober Fahrlässigkeit

Gastgeber schläft betrunken ein, Kerzen brennen weiter

OLG Köln: Der Versicherungsnehmer handelt grob fahrlässig, wenn er nach einer Party in seinem Haus die Kerzen im Wohnzimmer brennen lässt und sich anschließend betrunken und in einem anderen Raum auf dem Sofa schlafen legt.

Aschenbecher im Mülleimer ausgeleert – Brand entstanden

LG Regensburg: Der Versicherungsnehmer handelt grob fahrlässig, wenn er einen Aschenbecher in einem Mülleimer ausleert, in dem sich benutzte Papiertaschentücher und andere brennbare Gegenstände befinden. Grobe Fahrlässigkeit liegt ausdrücklich auch dann vor, wenn die Leerung mehr als 15 Minuten nach dem Ausdrücken der letzten Zigarette erfolgt und weder Qualm noch Glut zu erkennen waren.

Wunderkerze entzündet Weihnachtsbaum

OLG Frankfurt: Es liegt keine grobe Fahrlässigkeit vor, wenn am 26.12. eine Wunderkerze am Christbaum abgebrannt wurde und sich daraufhin der gesamte Baum entzündete und es zu einem sich explosionsartig ausbreitenden Brand kam. Der Grund: Grobe Fahrlässigkeit setzt einen  Verstoß gegen allgemeingültiges Gefahrwissen voraus. Dass aus einer einfachen Wunderkerze an einem nicht ausgetrockneten Baum binnen Sekunden ein großer Brand entstehen kann, zählt nicht zu diesem allgemeingültigen Gefahrwissen.

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