Unterversicherung und Überversicherung

Unterversicherung

Die gleitende Neuwertversicherung bietet einen impliziten Unterversicherungsverzicht, weil die ortsüblichen Neubaukosten laufend an die Baukosten angepasst werden. Die Anpassung erfolgt anhand eines Faktors, der zu 80 Prozent aus dem amtlichen Baupreisindex und zu 20 Prozent aus dem amtlichen Tariflohnindex für das Baugewerbe zusammengesetzt wird. § 11 regelt, dass die Versicherungssumme als richtig ermittelt gilt, wenn sie aufgrund einer vom Versicherer anerkannten Schätzung eines Bausachverständigen erfolgt, der Versicherungsnehmer im Antrag den Baupreis eines beliebigen Jahres richtig angibt oder im Antrag alle Fragen zu Größe , Ausbau und Ausstattung korrekt beantwortet werden und der Versicherer daraus die Versicherungssumme "Wert 1914" errechnet. Ist eine der drei genannten Voraussetzungen erfüllt, nimmt der Versicherer gemäß §11 Nr. 2 bei der Entschädigung einschließlich Kosten und Mietausfall keinen Abzug wegen Unterversicherung vor.

Überversicherung

Überversicherung liegt vor, wenn die Versicherungssumme den Wert des versicherten Gebäudes erheblich übersteigt. (3 10 VGB 2010 (1914)Als "erheblich" ist eine Differenz von mehr als zehn Prozent zu bezeichnen. In diesem Bereich liegt die Vorsorgeversicherung bei den meisten Sachversicherungen. In der gleitenden Neuwertversicherung existiert keine betragsmäßige Versicherungssumme. Stattdessen gilt die Versicherungssumme "Wert 1914". Dennoch kann es zu einer Überversicherung kommen, wenn falsche Annahmen oder Angaben zugrunde liegen. Dann wären Wiederherstellungskosten für Sachen versichert, die in Wahrheit entweder gar nicht, in geringerer Anzahl oder in geringerem Wert existieren.

Liegt Überversicherung vor, können beide Vertragsparteien eine Herabsetzung der Versicherungssumme verlangen. Die Herabsetzung erfolgt mit sofortiger Wirkung. Ab dem Zugang der Mitteilung reduziert sich auch die Prämie ein entsprechendem Umfang: Maßgebend ist der Betrag, den der Versicherer von Anfang an erhoben hätte, wenn der Vertrag von Beginn an mit dem korrigierten Immobilienwert geschlossen worden wäre. Versicherungsnehmer verlieren durch ein Herabsetzungsverlangen demnach keine tariflichen Bestandsvorteile.

Mitunter resultiert Überversicherung aus unlauteren Absichten. Die VGB sehen eine harte Bestrafung vor: "Hat der Versicherungsnehmer die Überversicherung in der Absicht geschlossen, sich dadurch einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist der Vertrag nichtig. Dem Versicherer steht die Prämie bis zu dem Zeitpunkt zu, zu dem er von den die Nichtigkeit begründenden Umständen Kenntnis erlangt".

Überversicherung kann durch den unbewussten Abschluss von Versicherungen bei mehreren Gesellschaften zustande kommen. In diesem Fall kann der Versicherungsnehmer eine Herabsetzung der Versicherungssumme verlangen.

Mehrere Versicherer (Mehrfachversicherung)

Unterhalten Eigentümer bei mehreren Versicherern eine Wohngebäudeversicherung, müssen sie allen Versicherungsunternehmen die Existenz der jeweils anderen Verträge inklusive Versicherungssumme mitteilen. Die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers im Fall mehrerer Versicherungsverträge sind in § 11 VGB 2010 (1914) festgehalten.

Verletzt der Versicherungsnehmer seine Informationspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig, sind die Versicherer ganz oder teilweise von der Entschädigungspflicht befreit. Bei grober Fahrlässigkeit wird das Quotelungs-Verfahren angewandt. Zudem ist der Versicherer zur Kündigung des Vertrages berechtigt. Mit Ausnahme von arglistiger Täuschung muss der Versicherer allerdings zahlen, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Pflichtverletzung weder für den Eintritt des Versicherungsfalls noch für die Höhe der Leistungspflicht ursächlich ist.

Liegt ein Betrugsversuch vor, entfällt jeder Anspruch auf Entschädigung sowie der gesamte Versicherungsschutz. Schließt der Versicherungsnehmer mehrere Verträge in der Absicht ab, sich zu bereichern, sind alle abgeschlossenen Verträge nichtig. Die Nichtigkeit des Vertrages kann allerdings nicht gegen Hypothekengläubiger geltend gemacht werden.

Achtung: Erlangt der Versicherer vor Eintritt des Versicherungsfalls Kenntnis von allen anderen bestehenden Verträgen, ist er nicht leistungsfrei.

Bei unbewusster Mehrfachversichversicherung ohne vorherige Korrektur haften alle involvierten Versicherungsunternehmen im Versicherungsfall gesamtschuldnerisch. Jeder Versicherer haftet höchstens bis zu dem im Vertrag bezeichneten Betrag. Der Versicherungsnehmer kann maximal Entschädigung in Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens verlangen. Er kann sich dabei grundsätzlich aussuchen, von welchem Versicherer er welchen Anteil verlangt.

Die Versicherer nehmen unter sich einen Ausgleich vor. Jedes Versicherungsunternehmen zahlt den Anteil am Schaden, der seinem relativen Anteil an der kumulierten Versicherungssumme entspricht. Die Versicherer sind untereinander zu Ausgleichszahlungen verpflichtet  –  übersteigt die Forderung des VN bei einem Unternehmen dessen rechnerischen Anteil, begründet dies einen Anspruch gegen das andere Versicherungsunternehmen.

Die gleichzeitige Existenz mehrerer Versicherungsverträge ist bei Versicherungsunternehmen tendenziell unerwünscht, weil bei der Schadensregulierung ein erhöhter administrativer Aufwand entsteht. Versicherungsnehmer sind deshalb gut beraten, sich auf einen Vertrag zu beschränken. Nachteile sind dadurch nicht zu erwarten.

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