Urteil des OLG Karlsruhe (Az. 12 W 32/05)
Versicherung muss Gutachten dem Versicherungsnehmer auf Wunsch vorlegen
Gutachten sind grundsätzlich dazu da, strittige Sachverhalte zu klären, indem sie von einem Experten aufgearbeitet und entsprechend eingeschätzt werden. Gerade bei größeren Schäden, etwa durch Wasser oder Feuer, ist ohne ein fundiertes Gutachten eines Sachverständigen meist keine Einschätzung der Schadenhöhe möglich. Oftmals werden solche Gutachten von den Versicherern selbst in Auftrag gegeben, wenn etwa der Versicherungsnehmer eine in den Augen des Unternehmens zu hohe Schadenssumme angegeben hat.
Doch ist eine Versicherung auch dazu verpflichtet, ihrem Kunden ein selbst in Auftrag gegebenes Gutachten zur Ansicht auszuhändigen? Genau damit musste sich das Oberlandesgericht Karlsruhe beschäftigen. Es ging vor allem darum, ob aus den im Versicherungsvertrag festgelegten Klauseln ein Anspruch auf Vorlage des Gutachtens hervorgeht. Folgender Sachverhalt lag der entsprechenden Gerichtsverhandlung zu Grunde:
Wie hoch ist der Brandschaden
Der Versicherte hatte eine Gebäudeversicherung für seine Immobilie abgeschlossen. Während der Laufzeit der Versicherung kam es schließlich zu einem nicht unerheblichen Brandschaden, der von der Versicherungsgesellschaft reguliert werden sollte. Zur Feststellung der Höhe des Schadens gab die Versicherung ein Schadensgutachten in Auftrag.
In der Folge ergaben sich Streitigkeiten über die Schadenhöhe, woraufhin der versicherte Einsicht in das durch die Versicherung in Auftrag gegebene Gutachten verlangte. Dies verweigerte die Versicherung. Der Versicherte verklagte daraufhin das Unternehmen auf Einsicht in das Schadensgutachten.
Nachdem die Klage in der ersten Instanz zunächst abgewiesen wurde, ging der Fall schließlich vor das Oberlandesgericht Karlsruhe, wo man zugunsten des Klägers entschied. Damit gilt die Entscheidung des Landgerichts als aufgehoben. Die Richter am OLG Karlsruhe stellten fest, dass der Versicherte Anspruch auf Vorlage eines durch seine Versicherung in Auftrag gegebenen Schadensgutachten hat.
Der Versicherte darf Einblick in das Gutachten verlangen
Im Detail führten die Richter aus, dass ein Versicherungsnehmer grundsätzlich zwar auch selbstständig Ermittlungen über die Schadenhöhe und die Ursache des Schadens anstellen könnte, allerdings seien in diesem Fall die entstehenden Kosten von ihm selbst zu tragen. Daher sei es die Verpflichtung der Versicherung, dass der Schaden geprüft und bewertet werden muss, sowohl im Eigeninteresse der Versicherung als auch im Interesse aller Versicherungsnehmer.
Weiterhin führten die Richter aus, dass ein Schadensgutachten der Versicherung in der Regel eine ausreichende Grundlage für die Regulierung darstelle, somit seien in diesem Fall Ermittlungen durch den Versicherungsnehmer selbst meist überflüssig. Dieses System funktioniere allerdings nur, wenn der Versicherte auch Einsicht in das erstellte Schadensgutachten bekäme.
Grundsätzlich sei die Versicherung besser dazu in der Lage, einen geltend gemachten Schaden zu prüfen und zu bewerten, schließlich verfügte sie über die größere Erfahrung, über fachkundige Mitarbeiter und über bestehende Kontakte zu Sachverständigen. Da Gutachten grundsätzlich von einem unabhängigen Sachverständigen angefertigt werden müssen, stelle ein Einblick des Versicherten keinen Nachteil für die Versicherung dar.
Fazit
Dieses Urteil sollte eine Signalwirkung für alle Versicherten besitzen. Immer wieder war in der Vergangenheit von Versicherungsnehmern zu hören, dass ihnen der Einblick in von der Versicherung erstellte oder in Auftrag gegebene Gutachten verwehrt wurde. Dadurch entsteht ein echter Nachteil für den Kunden, schließlich mangelt es bei Nichteinsicht ganz klar an Transparenz. Mit dem hier vorliegenden Urteil dürfte damit ein für alle Mal Schluss sein.