HIS – Hinweis- und Informationssystem
Betrugsprävention auch bei Wohngebäudeversicherungen
Die deutsche Versicherungswirtschaft betreibt ein Hinweis- und Informationssystem, das nach Aussage der Branche der Betrugsprävention dient. An dem System, das unter dem Dach der informa Risk and Fraud Prevention organisiert ist, nehmen auch Wohngebäudeversicherer teil. Schäden werden unter bestimmten Bedingungen an eine zentrale Datei übermittelt, die von anderen Versicherern einsehbar ist. Auch bestehende Versicherungsverträge sind einsehbar.
Versicherer überprüfen anhand der Datei, ob die Antragsangaben von (potenziellen) Versicherungsnehmern korrekt sind. Zudem werden auffällige Merkmale gemeldet, die den Verdacht auf das Vorliegen von falschen Angaben bis hin zum Versicherungsbetrug nahelegen. Im Hinblick auf die Wohngebäudeversicherung gibt die Informa Risk and Fraud Prevention sehr viel weniger Informationen preis als für die Sparten KFZ-Versicherung sowie Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung.
Das HIS ist eine Black-Box
An das HIS gemeldet werden neben dem Versicherungsnehmer und Gebäuden auch Geschädigte, versicherte Personen, KFZ sowie ggf. Dritte. Bei Dritten kann es sich z. B. um Zeugen handeln, die Ereignisse bestätigen. Die Intention: Tauscht ein Zeuge bei auffällig vielen Schadensmeldungen auf, könnte es sich um einen Betrugsversuch handeln.
Nach Angaben der IRFP erfolgen Schadensmeldungen an die Datei nach bestimmten, vordefinierten Kriterien. Das Unternehmen gibt konkret vier Kategorien an. Neben atypischen Schadenhäufigkeiten gehören dazu besondere Schadenfolgen, erschwerte Risiken und Auffälligkeiten im Schaden/Leistungsfall.
Zu einer Meldung aufgrund einer atypischen Schadenhäufigkeit kommt es, wenn innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eine bestimmte Anzahl von Schadensfällen erreicht wird. Die relevanten Zeiträume können sich dabei über mehrere Dimensionen erstrecken und z. B. eine Meldung vorsehen, wenn binnen X Monaten nach dem Beginn des Versicherungsvertrages der erste Versicherungsfall eintritt oder innerhalb von 36 Monaten mehr als X Schäden gemeldet werden. Für die Wohngebäudeversicherung gibt die IRFP keine konkreten Zahlen bekannt. Für die Rechtschutzversicherung gilt, dass eine Meldung an die Datei ab vier Schadenmeldungen binnen 12 Monaten erfolgt.
Vielfältige Gründe für Meldungen
Für die Meldungskategorie "Besondere Schadensfolgen" gibt die Auskunftei ein Beispiel aus der KFZ-Versicherung an. Demnach kommt es dort ab einer bestimmten Schadenhöhe zur Meldung, wenn der Schaden nicht tatsächlich repariert, sondern auf Gutachterbasis abgerechnet wird. Mit der Meldung soll nach Angaben der IRFP verhindert werden, dass ein Schaden bei verschiedenen Versicherern abgerechnet wird. Denkbar wäre ein solches Vorgehen auch in der Wohngebäudeversicherung. Sichere Informationen darüber liegen aber nicht vor.
Ein erschwertes Risiko liegt nach Angaben der Auskunftei z. B. in der Berufsunfähigkeitsversicherung vor, wenn eine Person einen als gefahrträchtig einzustufenden Beruf ausübt oder eine risikoerhebliche Vorerkrankung vorliegt. Übertragen auf die Wohngebäudeversicherung wäre denkbar, dass bestimmte bauliche Eigenschaften (z. B. Holzdach, Fachwerk etc.) gemeldet werden. Das führt dann zu einer Einstufung in einen anderen Tarif und höheren Versicherungsprämien.
Auffälligkeiten im Leistungsfall werden gemeldet, wenn dies nach Einschätzung des zuständigen Sachbearbeiters erforderlich scheint. Nach Angaben der IRFP kommt es in dieser Kategorie zu einer Meldung, wenn die Auffälligkeiten eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten, wobei dies anhand spartenspezifischer Kriterienkataloge festgestellt wird. In diesen Katalogen sind unterschiedlich gewichtete betrugsgeneigte Auffälligkeiten dokumentiert.
Mehr Klarheit mit Selbstauskunft
Verbraucher können bei der IRFP jederzeit eine Selbstauskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten einholen. Einmal im Jahr ist diese Auskunft laut Gesetz kostenfrei zu erteilen. Für Auskünfte zu Personen, Fahrzeugen und Immobilien stehen jeweils eigene Formulare zur Verfügung. Immobilienbesitzer müssen die Eigentumsverhältnisse durch einen Grundbuchauszug nachweisen. In der Selbstauskunft ist aufgeführt, ob eine Meldung erfolgt ist und, sofern ja, welcher Versicherer diese Meldung veranlasst hat.
Versicherer informieren Betroffene, wenn sie eine Meldung veranlassen. Eine Meldung bei der Abfrage des Datenbestands erfolgt aber nicht. Versicherungsnehmer können sich nicht gegen die Speicherung ihrer Daten wehren und haben keinen Anspruch auf Löschung. Nur bei nachweislich unrichtigen Daten besteht dieser Anspruch ausnahmsweise.
Das HIS der Versicherungswirtschaft wird gelegentlich auch als „Schufa der Versicherungen“ bezeichnet. Nicht wenige fürchten sich, aufgrund von Einträgen keinen Versicherungsschutz mehr zu erhalten (negative Schufaeinträge verhindern in der Regel die Kreditvergabe). Die IRFP weist darauf hin, dass zunächst die Antragsdaten maßgeblich für das Zustandekommen eines Vertrages seien. Die Auskunftei gibt aber zu. "Im Einzelfall kann die Nachprüfung durchaus dazu führen, dass der Kunde keinen Versicherungsschutz mehr erhält. Dies ist dann aber nicht Konsequenz aus der HIS-Meldung, sondern resultiert aus der jeweiligen Risikosituation des Kunden."
Das HIS in seiner jetzigen Form existiert erst seit April 2011. Warndateien gibt es allerdings schon seit Beginn der 90er Jahre. Datenschützer hatten früher bemängelt, dass keine Möglichkeit zum Einholen einer Selbstauskunft bestand und das gesamte System an sich intransparent war.
Versicherer beschwören Betrugsprävention
Die Versicherungswirtschaft führt mehrere Gründe für die Notwendigkeit einer zentralen Datei auf. Sie weist darauf hin, dass private Versicherer das übernommene Risiko korrekt einschätzen müssen, um einen risikogerechten Beitrag zu ermitteln. Dies sei nur mit zutreffenden und vollständigen Informationen möglich. Unwahre, unvollständige und betrügerische Angaben verursachen der Versicherungswirtschaft zufolge jedes Jahr Schäden in der Größenordnung von mehreren Milliarden Euro.
Für Immobilienbesitzer erscheint der Umstand unglücklich, dass praktisch gar keine konkreten Informationen über Meldungsvoraussetzungen vorliegen. Für andere Sparten nennt die IRFP immerhin Fragmente von Meldeschwellen.